Zur Geschichte und
Restaurierung des Altars
Im Jahre 1522 wurde der Altar in der Pfarrkirche zu Güstrow aufgestellt. Es ist eines der größten und
prächtigsten Bildschnitzwerke aus der Brüsseler Werkstatt des Jan Borman. Es handelt sich um einen
Wandelaltar. In geöffnetem Zustand bietet sich dem Betrachter eine gewaltige Retabelwand mit 13 sehr
anschaulichen Darstellungen der Passion Christi. Darunter befindet sich die Predella mit der Darstellung von
Christus und 12 Aposteln. Die gesamten Schnitzereien wurden in Eichenholz geschaffen.
Hinter den Seitenflügeln befinden sich sechs große Bildtafeln, die bisher Bernaert van Orley zugeschrieben
wurden. In der ersten Wandlung werden auf der linken Seite Szenen aus dem Leben der Maria dargestellt. Auf
der rechten Seite wird das Martyrium der Katharina von Alexandrien gezeigt. In der zweiten Wandlung sind
die Apostel Petrus und Paulus zu sehen.
Der Altar ist eines der wenigen Beispiele niederländischer Holzschnitzkunst, das den Namen des ausführenden
Künstlers trägt. In der Kreuztragungsszene sieht man auf dem Schwert des rechten Kriegsknechtes die
großen Buchstaben "JAN BORMAN". 1865 wurde durch einen Berliner Architekten eine Bestandsaufnahme des
Altars mit Hilfe von 16 Zeichnungen vorgenommen. Im Jahre 1880 erfolgte eine umfangreiche Restaurierung
am gesamten Altar. Dabei wurden die neogotische Umrahmung, der Kamm nach originaler Vorlage und die
Stützen an den Flügeln neu geschaffen. Die Fassung an den Bildschnitzwerken ist hauptsächlich in den
Bereichen der Inkarnate übermalt worden. Zur gleichen Zeit wurden die Maltafeln in der Münchner Pinakothek
restauriert. Während des zweiten Weltkrieges war der Altar in einem Güstrower Gymnasium eingelagert. Wie
aus einem Bericht hervorgeht, zeigten sich bei der Wiederaufstellung 1946 an der Fassung und auch am
Trägermaterial deutliche Schäden. Besonders der linke Flügel hatte unter den Feuchtigkeitseinwirkungen
während der Auslagerung stark gelitten. Die 1951 durch -geführten Instandsetzungsarbeiten hatten den Altar
wieder in einen verwendungsfähigen Zustand versetzt. Jedoch konnte zwischen den verschiedenen Bereichen
kein ausgewogener Gesamteindruck geschaffen werden. Die Fassung des linken Flügels ist bei diesen
Maßnahmen fast vollständig überarbeitet worden und zeigt heute noch wegen der verwendeten Goldbronze
stark oxidierte Bereiche . Bei einer Begutachtung des Altars 1991 wurden starke Schäden in der Fassung
festgestellt. Außerdem war die Oberfläche am gesamten Altar so verschmutzt, dass die qualitätsvolle Fassung
nicht mehr erkennbar war. Bei einer früheren Bearbeitung waren große Bereiche des Goldes, besonders in der
Predella, mit einem roten Lack übersprüht worden. Der Zustand und das Erscheinungsbild des Altars waren
1992 Anlass für den Beginn umfangreicher Konservierungs -und Restaurierungsmaßnahmen. Diese wurden
im Bereich der Predella teilweise begonnen und konnten nach 10 Jahren am Mittelschrein zu einem Abschluss
gebracht werden. An den beiden geöffneten Flügeln, dem Kamm und der Predella werden die Arbeiten
weitergeführt. Dadurch verändert sich der Zustand des Altars in kleinen, aber sichtbaren Schritten stetig.
Unter anderem konnten im Jahre 2009 die ersten Voruntersuchungen an den Figuren der Predella
vorgenommen werden. Damit wurde die Voraussetzung für die weitere Bearbeitung der Predella geschaffen.
Im Jahre 2010 werden umfangreiche Untersuchungen an den 6 Maltafeln stattfinden, die Fragen der
Zuschreibung klären sollen und gleichzeitig die Voraussetzung für die Restaurierung sein werden. Es werden
noch einige Jahre vergehen, bevor der gesamte Altar wieder in seinem weitestgehend ursprünglichen
Erscheinungsbild den vielen Besuchern der Pfarrkirche gezeigt werden kann.
Volker Ehlich
Dipl.-Restaurator (FH), VDR
Dorfstraße 86
16230 Brodowin
Tel. 033362 71200
E-Mail: volker.ehlich@gmx.de