Jan Borman

Güstrower Altarretabel

 Lisa Maria Vogel M. A.  Bei einem Schergen, einer auffälligen Rückenfigur der „Kreuztragung Christi“ links neben dem zentralen Kalvarienberg im Schrein des Güstrower Altarretabels, kann man auf dem Waffengehänge den Schriftzug JAN BORMAN entziffern. Stolz hat der Meister, dem der größte Teil der geschnitzten szenischen Darstellungen des Passionszyklus der sogenannten Sonntagsseite des Altarretabels zuzuschreiben ist, das Ergebnis seiner sicher monatelangen Arbeit mit seinem Namen gekennzeichnet. Dank weiterer Hinweise in Form von charakteristischen Beschaumarken, die uns nach Brüssel verweisen, ist damit die Herkunft des Retabels gesichert: Offensichtlich entstammt es der in der Residenzstadt der Burgundischen Herzöge beheimateten Werkstatt eines Bildschnitzers mit Namen Jan Borman. Versucht man diesen Namen in den Quellen des späten fünfzehnten und frühen sechzehnten Jahrhundert aufzuspüren, so findet man drei Meister dieses Namens in der Stadt an der Zenne.Der Bildschnitzer und Steinmetz Jan I. Borman, zur Unterscheidung auch der Ältere genannt, verstarb im letzten Jahrzehnt des fünfzehnten Jahrhunderts. Er vererbte Namen und Profession an den gleichnamigen Sohn. Anscheinend führte dieser die Werkstatt seines Vaters mit mehreren Mitarbeitern sehr erfolgreich weiter, denn Jan II. Borman wurde aufgrund seiner bewunderten Kunstfertigkeit und dem Geschick, prestigeträchtige Aufträge u.a. für prachtvolle, reiche Retabel im Auftrag bedeutender kirchlicher Institutionen und Würdenträgern zu fertigen, auch der „beste meester beltsnyder“ genannt. 1479 erwarb Jan II das Bürgerrecht der Stadt Brüssel und trat der Gilde der Steenbickeleren – also der dortigen Steinmetzzunft, in der auch Bildschnitzer und Mauer organisiert waren, bei. Sein hohes Ansehen spiegelt sich in seiner 1489 erfolgten Wahl zum Geschworenen der Gilde. Um diese Zeit entstand auch sein Hauptwerk, das St. Georgsaltarretabel, das sich heute im Museum voor Kunst en Geschiedenis in Brüssel befindet.Vergleicht man dieses Werk mit dem Güstrower Retabel so zeigen sich wichtige Gemeinsamkeiten, die deutlich auf die Werkstatttradition der Borman- Familie hinweisen. Doch in den Details finden sich so vielen Unterschiede, dass man Jan II als Autor der Passionsfolge ausschließen kann. Vielmehr ist davon auszugehen das ein jüngeres Familienmitglied mit dem Namen Jan Borman (zur Unterscheidung von seinen Verwandten Jan III. oder d. J. genannt) als ausführender Meister der geschnitzten Bildszenen anzusehen ist. In welchem genauen verwandtschaftlichen Verhältnis er zu Jan II und dessen Sohn, dem ebenfalls angesehenen Pasquier Borman steht, ist aufgrund der ungünstigen Überlieferung schriftlicher Quellen nicht mehr zu bestimmen, einzig seine Mitgliedschaft in der Brüsseler Bildschnitzergilde ist für das Jahr 1499 bezeugt. Seine Vertrautheit mit Bildmustern und Motiven des Älteren lässt zumindest seine Schulung durch Jan II vermuten. Dennoch zeigen sich in seinen Arbeiten neue künstlerische Einflüsse, die auf die Malerei der sogenannten Romanisten, einer Gruppe von flämischen Malern, die sich von Werken der italienischen Renaissance inspirieren ließen, verweisen. Besonders augenfällig sind die modischen Details der Figurengewandung – besonders die fantasievoll- orientalisch gewandete Soldateska aber auch der frommen Frauen sind hier zu nennen. Zudem legte der jüngere Meister Wert auf eine szenisch- erzählerische Vermittlung des Passionsgeschehens, das durch viele realistische Details – etwa den kleinen Hund des Pilatus – zusätzlich verlebendigt wird. Den Idealen der Renaissancekunst inhaltlich näher sind die eleganten Proportionen, die kühnen – oft verschränkten – Haltungen seiner muskulösen Figuren und der flüssige, rhythmische Bildaufbau, der den einzelnen Protagonisten Freiraum gewährt.Doch auch Jan III war bei einem großen Auftrag wie dem Güstrower Retabel nicht allein am Werk. Von den dreizehn geschnitzten Reliefs des Güstrower Retabels kann man, ausgehend von der von ihm signierten „Kreuztragung“, ihm hauptsächlich die Szenen im Schrein zuschrieben. Daneben arbeiteten mindestens zwei Bildschnitzer an dem umfangreichen Bildzyklus mit. Davon ist jener, der die ersten vier Passionsereignisse schilderte und wahrscheinlich auch die Apostelfolge in der Predella schuf, noch am stärksten der Manier des Jan II verpflichtet. Der Autor der Bildnischen im rechten Flügel zeichnet sich demgegenüber dadurch aus, verschiedene Begebenheiten simultan zur Anschauung zu bringen, seine eher stämmigen Figuren und die wie plissiert wirkenden Faltengestaltungen lassen eindeutig eine eigenen künstlerische Handschrift erkennen. Leider haben sich keine weiteren Nachrichten über Jan Borman III erhalten und auch die Zuschreibung weiterer Werke dieses bedeutenden Brüsseler Bildschnitzers ist noch umstritten /ungeklärt.